Wie Abstraktion aus dem Abstrakten Humor herauskitzelt

Spiel mit Realität und Fiktion: Künstlerin Amalia Barboza baut im Groß-Karbener Burghof ihre Ausstellung auf und zeigt Requisiten ihrer verfremdeten Dokumentarfilme wie das Haus mit Tieren. Kleines Bild: Diese Fahnen ziehen sich durch ihr Werk. Fotos: Pfeiffer-Goldmann Spiel mit Realität und Fiktion: Künstlerin Amalia Barboza baut im Groß-Karbener Burghof ihre Ausstellung auf und zeigt Requisiten ihrer verfremdeten Dokumentarfilme wie das Haus mit Tieren. Kleines Bild: Diese Fahnen ziehen sich durch ihr Werk.

 

 

Von Dennis Pfeiffer-Goldmann

 

Das Schloss von Leonhardi in Groß-Karben wird ab Samstag wieder zum Ausstellungssaal. Einen Monat lang stellt die argentinische Künstlerin Amalia Barboza aus – verfremdete Dokumentarfilme als Videokunst und die Requisiten dazu.

 

Karben. Eine Frau schneidet unentwegt Brot, Tiere hoppeln durchs Wohnzimmer. Verwirrend wirkt, was der Betrachter im Dokumentarfilm sieht. Das ist gewollt. Künstlerin Amalia Barboza wandelt zwischen Realität und Fiktion.

 

Programm zur Buchmesse

 

Ihre Realität ist derzeit der Schlosshof Groß-Karben. Dort baut sie ihre Ausstellung Casa Ocupada auf, spanisch für «besetztes Haus». Ein Roman des argentinischen Schriftstellers Julio Cortazar heißt so. In der Geschichte lässt er ein unbekanntes Wesen ein Haus besetzen, bis die Bewohner das Anwesen verlassen.

 

Phantastisch wie bei Kafka ist die Idee im Buch ebenso wie bei der Kunst von Amalia Barboza. Ihre Videoinstallationen kommen als Dokumentation über Architektur der Moderne daher. Doch lässt sie eben Tiere hoppeln, Zirkustrapeze schwingen oder die Künstlerin selbst und ihr erst neun Monate altes Baby tauchen auf. Die Strenge der Moderne wolle sie mit den fiktiven Elementen durchbrechen, sagt die Argentinierin. «Hier werden zwei Welten vermischt, die in einem Widerspruch zu einander stehen.» Ergebnis ist der anfangs überraschte, dann massiv schmunzelnde Betrachter.

 

Vier ihrer Dokumentarfilme zeigt die 38-Jährige in Groß-Karben im kleinen Ausstellungsraum von Schlossherr Philipp von Leonhardi. Rundherum hat sie Requisiten aus ihren Filmen drappiert. Mit diesen Kulissen, mit der Videokamera und dem Animationsprogramm am Computer entstehen so binnen rund drei Monaten die am Ende nur wenige Minuten kurzen Werke.

 

Erstmals öffnet Schlossherr von Leonhardi zusammen mit Kuratorin Felicia Herrschaft den Burghof für eine Einzelausstellung. Sie durchbrechen ihre Reihe von Künstlern aus «verletzten Gesellschaften» in aller Herren Länder. «Eigentlich erwarten die Besucher, dass sie bei uns die Katastrophen der Welt erklärt bekommen», räumt von Leonhardi ein. «Jetzt ist das ein völlig eigenständiges Projekt.» Mit der Ausstellung platziert sich der Burghof erneut als Ort der Kunst im Rhein-Main-Gebiet: Die Schau ist offizieller Teil des Begleitprogramms der Frankfurter Buchmesse (6. bis 10. Oktober).

 

Wie wohnt sich’s oben?

 

Schicksal liegt auch hinter Amalia Barboza: Im Alter von fünf Jahren flohen ihre Eltern mit ihr vor der Militärdiktatur aus Argentinien nach Spanien. Seit 2005 lebt die Künstlerin in Frankfurt, ist an der Uni tätig. Ihr Fachgebiet schlägt bei der promovierten Soziologin in die Kunst durch: In einem Video zeigt sie, wie sich Menschen (real) in Dachwohnungen eingerichtet haben. Dabei ist der Film selbst Inspiration: Er entstand, weil Barboza eine Idee fehlte, wie sie eine Ausstellung in einem Dachgeschossraum bestücken sollte. Das Ergebnis: der Betrachter staunt und schmunzelt.

 

Casa Ocupada, Ausstellung von Amalia Barboza im Burghof von Leonhardi in Groß-Karben, Burg-Gräfenröder Straße 2. Geöffnet bis 7. November samstags und sonntags 14 bis 18 Uhr. Vernissage diesen Samstag (2. Oktober) ab 16 Uhr.

 

Artikel vom 30. September 2010, 03.23 Uhr (letzte Änderung 30. September 2010, 05.10 Uhr)