Heldensport

 

Zeitgenössische Kunst aus Teheran in Karben

 

In orientalisch gemusterten Turnhosen, sonst aber unbekleidet, trainieren einige stattliche Herren mittleren Alters beim sogenannten Sport der Helden im Teheraner "Haus der Kraft", der Zurkaneh, mit Ketten, Holzschilden und schweren Keulen. Heldenhafte Gesinnung und spirituelle Reinheit sollen durch diese althergebrachten Rituale gefördert werden, die von Trommelwirbeln, frommen Gesängen und Lesungen aus heroischen Dichtungen begleitet sind. Eine selbstverständlich reine Männerveranstaltung, zu der Frauen der Zutritt streng verwehrt ist. Gleichwohl ist es Maraneh Atashi, einer 1980 geborenen Künstlerin, gelungen, die traditionellen Kampfsportübungen in einer "Bodiless" genannten Serie von suggestiven Farbaufnahmen festzuhalten.

 

Ihre Fotos sind mit 30 Arbeiten weiterer iranischer Künstler auf einer DVD der Reihe Treibsand enthalten, die derzeit unter dem Titel "In der Warteschlaufe - Zeitgenössische Kunst aus Teheran" im Ausstellungsraum der Leonhardi-Kulturprojekte im Burghof Karben (Karben Burg, Gräfenroder Straße 2) vorgeführt werden. Es handelt sich um künstlerische Filme, Videos, Fotos und um theoretische Beiträge, die von der bekannten iranischen Künstlerin Parastou Forouhar, die seit Jahren in Deutschland lebt, und der Schweizer Kunsthistorikerin Susann Wintsch nach ausführlichen Recherchen im Iran 2005 und 2006 zusammengestellt wurden.

 

Bei ihren Recherchen, die sie am Ende der Reformzeit unter Chatami unternahmen, fiel den beiden Kuratorinnen auf, dass viele Künstler in Iran auf etwas Unbestimmtes zu warten schienen. Forouhar und Wintsch gewannen zudem den Eindruck, dass die zeitgenössische iranische Kunstszene außerhalb der "ornamentalen Ordnung", also der traditionellen Kunstproduktion ihres Landes, zu einer eigenständigen Ästhetik gefunden habe. Auch stellten sie fest, dass die jungen Künstler mit den künstlerischen Ausdrucksformen des Westens heute ebenso umgehen können wie mit der iranischen Zensurpolitik.

 

Das Video von Rozita Sharaf Jahen, die zusammen mit ihrem Mann die Tehran Azad Gallery, eine der lebendigsten iranischen Galerien, betreibt, zeigt Bäume und Gras und Himmel: die schwindelerregenden Blicke einer Frau von einer Kinderschaukel aus. "Depression" ist der Titel der Arbeit, deren beunruhigende Wirkung durch die Geräusche der klirrenden Ketten verstärkt wird. In ihrem 2005 entstandenen Video "Monologues Under White Light", einer der eindringlichsten Arbeiten, stellt uns die 1980 in Teheran geborene Künstlerin Samira Eskandarfar ein junges Paar vor, das sich in unheimlichen Räumen zwischen Absurdität und Wirklichkeit sehr seltsam bewegt und unterhält.

 

Dagegen wirkt "The Room", eine Videoanimation von Hamed Sahihi, der eine lesende Frau samt ihrem Sessel in die Höhe schweben lässt, während der bunte Teppich, anders als im Märchen, am Boden liegen bleibt, geradezu gemütlich. Von Parastou Forouhar selbst stammt die Arbeit "Ich ergebe mich": An schwarzen Schnüren hängen mit Helium gefüllte Ballons, auf denen Miniaturzeichnungen zu sehen sind.

 

KONSTANZE CRÜWELL

 

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2007, Nr. 98, S. 62