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fehe



Frontberichte. Die Macht der Medien in den Zeiten des Krieges.

FH: Kurz vor dem bis jetzt noch unklaren Ausgang der Wahl in den USA interessiert mich ob es sinnvoll ist während sich ein Land in einem Krieg befindet einen Machtwechsel herbeiführen zu wollen? Wie schätzen Sie diese Kriegssituation im Irak ein gerade aus einer kritischen Perspektive über die Möglichkeiten der medialen Kriegsberichterstattung. Wenn es jetzt diesen Machtwechsel geben sollte oder auch nicht wäre das überhaupt sinnvoll je nachdem welche Situation man in einem Kriegsgebiet hat?

 

BG: Die US-Amerikaner haben noch niemals während eines Krieges einen Präsidenten abgewählt. Sollte sich der bisherige Trend bestätigen, dass George W. Bush wieder gewählt wird, dann würde das in Übereinstimmung stehen mit dem bisherigen Wahlverhalten der Amerikaner. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Lage im Irak so verfahren, dass es für beide Kandidaten, außerordentlich schwierig ist, sowohl für den amtierenden Präsidenten Bush und seinen Herausforderer Kerry aus dieser Situation auch einigermaßen sinnvoll wieder herauszukommen. Für die Europäer bzw. für die Deutschen wäre manches mal ein Wahlsieg von Kerry sinnvoll gewesen wäre, weil das Verhältnis zwischen Bush und der rot-grünen Regierung in Berlin nicht gerade gut ist. Andererseits wäre es auch viel schwieriger gewesen sich aus diesem Krieg der falsch war, völkerrechtswidrig war und von der Bundesregierung auch wirklich niemals unterstützt wurde aber sich aus diesem Krieg völlig herauszuhalten, denn in der Tat setzt Kerry mehr auf multilaterale Beziehungen und möchte stärker auch Verbündete einbinden als Bush das bisher wollte und insofern wäre es vermutlich für die Bundesregierung schwieriger geworden, wenn Kerry gewonnen hätte.

 

FH: Das sagen sie ja auch in ihrer Einleitung: „wir schaffen es mittlerweile, mit drauf zuschlagen und dennoch den Frieden zu segnen.“ Wie schätzen sie überhaupt die Rolle Deutschlands ein in Bezug auf den Irakkrieg.

 

BG: Das Zitat, das sie gerade genannt haben bezieht sich ja auf Goethes Faust, wo ein Bürger im Faust dasteht und sagt, wir schaun den Schiffen nach und segnen Fried und Friedenszeiten und in der Tat ist es so, wenn man jetzt in Deutschland eine Umfrage machen würde, seit wann wir in Frieden leben, man das Ergebnis bekäme seit Ende des zweiten Weltkrieges. Dabei gerät völlig aus dem Blickfeld, dass wir uns in den letzten Jahren aus meiner Sicht auch an völkerrechtswidrigen Kriegen und Angriffskriegen beteiligt haben - ich habe den Kosovo-Krieg für falsch gehalten und ich halte ihn für völkerrechtswidrig, denn Jugoslawien hat keinen Nato-Staat angegriffen, deshalb war es auch nicht an der Nato so zu reagieren. Afghanistan ist völkerrechtlich umstritten.

Ich habe ja relativ lange aus Krisengebieten berichtet, übrigens auch Krisengebieten in Afrika in denen es nicht um traditionelle Formen des Krieges ging, sondern entweder um Bürgerkriege oder um humanitär geplante Kriegseinsätze.

Ich erinnere in dem Zusammenhang an Somalia und da stimmt mich nun optimistisch, das nach dem Ende der bipolaren Welt, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, sich immer mehr durchsetzte, dass man mit Militär praktisch alles lösen könne. Dieser Glauben ist jetzt brüchig geworden.

Man sieht jetzt auf dem Balkan als auch in Afghanistan, als natürlich ganz besonders in Irak und man hat es damals auch schon in Somalia gesehen, dass politische Ziele, seien sie nun ehrenwert oder weniger ehrenwert sich eben nicht ohne weiteres verwirklichen lassen, indem man einen Abstandskrieg führt, bombadiert und dann sagt die Bevölkerung wird sich schon freuen, das wir da sind. Ich habe den Eindruck, das in der Tat das Gefühl nach der Euphorie über den Zusammenbruch des Kommunismus ein für mich damals schockierende und überraschende plötzlich wieder erstarkende Gläubigkeit in die Macht des Militärs erwuchs. Diese Gläubigkeit lässt nach und man wird auch insgesamt, ich beziehe das jetzt nicht auf die USA, sondern auf Deutschland und Europa vorsichtiger darin, im Militär ein Ersatz für Diplomatie zu sehen.

 

FH: In dem Kapitel humanitäre Missverständnisse kommt die Karawane der Journalisten in Somalia, um eine humanitäre Intervention zu beobachten, aber die Reaktionen der Journalisten entsprachen nicht dem, was sie durch ihre Recherchen erkennen konnten, worin bestanden die Missverständnisse?

 

BG: Der Fall Somalia war sehr kompliziert weil er sich so einfach auszunehmen schien. Es herrschte ein Bürgerkrieg und es herrschte infolgedessen eine ganz grauenerregende Hungersnot. Nahrungsmittelhilfe kam ins Land aber wurde von Milizen regelmäßig geplündert und das war eine der stärksten Einnahmequellen für zahlreiche Bürgerkriegsfraktionen. Von außen her betrachtet schien dies eine überaus sinnvolle Militärintervention zu sein, man schützt die Nahrungsmittel, sorgt dafür dass die zu den Hungernden kommen, verhindert also Plünderungen und Babys müssen nicht mehr sterben und darben. Das ist ja etwas dem sich niemand mehr in den Weg stellen sollte. Was dabei außer acht gelassen wurde ist zum einen, dass interne Machtgeflecht innerhalb Somalias, wer hat welchen Konflikt mit wem und warum wird gehungert? Es war natürlich in der Tat nicht einfach nur eine Hungernot ohne politische Hintergründe, sondern das hat vielen Zwecken gedient. Wer die Verfügungsgewalt über Nahrungsmittel hatte, hatte damit einen kriegswichtigen Vorteil in diesem Bürgerkrieg. Das wurde bei der Militärintervention nach meiner Kenntnis außer acht gelassen. Die da kamen hatten zu wenige Kenntnisse über die internen Vorgänge in Somalia.

Zweitens war es in Somalia sehr unterschiedlich in unterschiedlichen Regionen. Das heißt es gab auch Regionen, die vom Bürgerkrieg profitiert haben, wenn traditionelle Handelswege unterbrochen waren, gab es natürlich andere Regionen in denen die Wirtschaft aufblühte, weil Import/Export über andere Straßen als die traditionell üblichen abgewickelt wurde. Ich erinnere mich, als die Bundeswehr die Vorhut des Hauptkontingents in die Kleinstadt Bele Tuen kam, wurden sie von zahlreichen Kollegen aus der Bundesrepublik begleitet, die vorher noch nie in Somalia gewesen waren. Das waren Leute, die verstanden sehr viel von der Bundeswehr, seriöse Journalisten, aber kannten nicht das, was sie zu sehen bekamen. Die waren dann erschrocken über die Armut, die sie auf einem Markt zu sehen glaubten. Tatsache ist, dass dieser Markt überhaupt nicht arm war, es gab ziemlich reiche Importprodukte, wie italienisches Tomatenmark, es gab auch französische Kosmetik, alles war eingeführt über Djibouti. Aber weil der Markt so ganz anders aussah, die Produkte liegen auf dem Boden, die Marktfrauen sitzen am Boden, der sieht ärmlich aus für unsere Augen, war die Spontanreaktion ‚oh Gott, entsetzlich diese Armut’.

Das Problem ist, das für mich daran deutlich wird, dass uns häufig gar nicht bewusst ist wie unsere eigene Weltsicht und unsere eigene Erwartungshaltung, dann das Bild dessen prägt was wir sehen. Es gibt ja auch das alte Sprichwort, man sieht nur was man weiß. Man kann ja noch nicht mal sagen, dann sollen sich die Journalisten besser vorbereiten, dafür müsste man ja wissen was man gerade nicht erkennt, was man gerade nicht weiß. Die Leute waren alle gut eingelesen, hatten erkennbar alle ihre Hausaufgaben gemacht, hatten sich vorher in die Archive begeben nur sie waren sich nicht bewusst, dass sie einen anderen Eindruck haben würden als der der Realität entsprach. Ein weiteres Beispiel nennen aus Bele Tuen, es gab das Krankenhaus von Bele Tuen, das in der Tat für mitteleuropäische Verhältnisse katastrophal schlecht ausgestattet war und es ist nicht nur nachvollziehbar sondern sehr sympathisch, wenn man dann sagt, Gott sei Dank, dass hier jetzt Bundeswehrärzte Sprechstunde abhalten, geht es den Leuten besser. Was man eben nicht wissen kann, wenn man nicht vorher schon in der Region gearbeitet hat, dass dieses Krankenhaus für afrikanische Verhältnisse nicht nur in Krisengebieten, sondern auch in friedlichen Gebieten so schlecht ausgestattet nicht wahr, dass sogar Leute aus dem nahe gelegenen Äthiopien zur Behandlung gekommen sind.

Dann kann man immer noch sagen na gut, schön für die Leute, dass dort jetzt mehr Ärzte sind und Bundeswehr mit Gerät, aber dabei wird außer acht gelassen, dass Militäroperationen neben allem anderen auch fürchterlich teuer sind. Um ein paar ambulante Sprechstunden abzuhalten und um Wasser in Zisternen abzufüllen, muss man nicht 1700 Soldaten mit schweren Waffen um die halbe Welt fahren, dass können Hilfsorganisationen besser. Dieser Glaube an die Allmacht des Militärs hat zu dem fatalen Glauben geführt, humanitäre Arbeit könne ganz nebenbei auch von Militärs die dafür nicht ausgebildet sind ausgeübt werden. Der Unterschied zwischen der Arbeit von Militärs und der Arbeit von Hilfsorganisationen ist in den letzten Jahren etwas verwischt worden und dieses ist eine Entwicklung die meiner Meinung nach noch nicht rückläufig ist. Immer wieder wird uns Journalisten gezeigt, wie die Bundeswehr beim Wiederaufbau von Brücken hilft, Brunnen bohrt. Das ist alles gut und nützlich, nur das ist keine hochkomplexe logistische Großoperation die in Krisengebieten bei humanitäre Hilfe einfach unumgänglich ist und es hat sich in Somalia gezeigt, der Zenit der Hungersnot war bei Eintreffen, der ersten fremden Militärs überschritten und zwar deshalb weil das Internationale Rote Kreuz in der größten Operation seiner Geschichte einen Ring von Garküchen, um die am schlimmsten betroffenen Flüchtlingsgebiete gezogen hat, so dass man verhindert hat, dass die Leute alle weiter in die Ballungszentren ziehen. Es war irrsinnig teuer, sehr aufwendig, hat aber nach großen Anlaufschwierigkeiten auch funktioniert. Der Blick der Weltöffentlichkeit war dann so stark auf die Militäroperation fokussiert, dass man nicht mehr gesehen hat, dass dieser Erfolg des Roten Kreuzes letztlich untergegangen ist und bis heute hält sich die Legende die ausländischen Soldaten hätten wenigstens den Hunger besiegt. Das trifft schlicht nicht zu.

 

FH: Man macht sich als Journalistin sehr leicht unbeliebt, wenn man sich nicht den Journalisten-Karawanen anschließt und über die richtigen Medienereignisse berichtet, wie zum Beispiel die Ankunft eines Amphibienfahrzeugs. Was heißt das genau?

 

BG: Man wird nicht nur in den Redaktionen unbeliebt, sondern auch bei den Lesern oder Zuschauern. Zusatzleistungen also eine Reportage, die nicht jeder hat werden erfreut registriert, aber wenn die Grundversorgung in der eigenen Zeitung nicht steht, also wenn das worüber alle anderen berichten und in der Zeitung, die man selber liest, nicht, dann reagieren die Leser verärgert und wie ich finde zurecht. Es wäre ja auch eine merkwürdige Form der Zensur oder auch Selbstüberschätzung, wenn man sagt, mich interessiert das alles nicht. Lassen sie mich das an einem plastischen Beispiel machen, wenn der Völkermord in Ruanda passiert, dann hielte ich es für zynisch zu sagen, wir berichten über Volkskunst in Tansania.

Es ist ja auch so, dass Opfer einen Anspruch darauf haben, dass über sie berichtet wird.

 

Ich habe für die Probleme die im Zusammenhang mit Krisenberichterstattung entstehen kein Patentrezept. Ich habe selbst auch Fehler gemacht, Quellen zu leichtgläubig geglaubt, ich war leichtsinnig - wir alle machen pausenlos Fehler, aber es gibt schon ein paar Grundrichtlinien, die man festhalten kann. Wenn man sagt, es gibt sowohl einen Anspruch der Öffentlichkeit, als auch einen Anspruch der Betroffenen, das über ihr Schicksal berichtet wird, dann akzeptiert man die Tatsache, dass Kriegs und Krisensituationen ein sehr verantwortlicher Teil des Journalismus ist, der nichts mit Abenteurertum oder Voyeurismus zu tun hat. Die Bedingungen unter denen man das macht, die muss man sich vor Augen führen und daraus die Konsequenzen ziehen. Dass heisst, ich bin im Unterschied zu manchen Kollegen und Kolleginnen nicht gegen das Prinzip der Einbettung in Armeestrukturen. Ich halte das auch für falsch, als wäre das erfunden worden im Irak-Krieg mit US-Truppen.

Man kommt in kein Kriegsgebiet ohne sich unter den Schutz einer Konfliktpartei zu stellen. Während des Unabhängigkeitskampfes um Eritrea ist man natürlich in die von der IPLF kontrollierten Gebiete nur mit dem Schutz der IPLF reingekommen. Das entspricht der Einbettung. Oder wenn ich nach Kundus fliege um dort das Bundeswehrcamp zu besuchen, dann bin ich natürlich auch eingebettet in Strukturen der Bundeswehr. Ich bin nicht prinzipiell dagegen, man muss sich nur im klaren sein und zwar immer, wer Journalisten mitnimmt, weiß was er ihnen sagen will, dass heißt die Skepsis gegenüber den Informationen, die man bekommt und dem Bild, das man bekommt muss noch größer sein, als bei einer eigenen Recherche. Ideal ist natürlich wenn Korrespondenten länger Zeit haben sich einzuarbeiten und das Gebiet aus dem sie berichten, gut kennen. Das war früher selbstverständlich. In Zeiten aber wo Nachrichten immer schneller um die Welt geschickt werden und Korrespondenten immer hektischer hin und herfliegen wird das immer schwieriger. Es gibt ja auch eine ganze Menge Medien, die keine ständigen Reporter mehr unterhalten, sondern nur dann wenn es kracht, schicken sie jemanden hin.

Das ist ein Problem, weil sich dann viel schwieriger feststellen lässt, was dort wirklich los ist, welcher Quellen kann ich glauben oder welche Entwicklung hat stattgefunden. Um sich davor zu schützen, muss man sich thematisch beschränken, wenn man zum Beispiel eingebettet ist und über genau das berichten, was er dort sieht, nämlich sagt, ich bin hier mit dieser oder jener Armee oder Konfliktpartei, man zeigt mir das und ich kann nicht beurteilen wie es fünf Kilometer weiter weg aussieht, dann denke ich, kann das eine sinnvolle Zusatzinformation über eine Situation in einem Land sein. Wer allerdings versucht während er in irgendwelche Strukturen eingebettet ist, gleichzeitig auch noch eine Gesamtanalyse über das Land oder gar die Region dort zu leisten, der läuft auf sehr dünnen Eis und ist dann natürlich besonders anfällig für Manipulationsversuche.

 

FH: Ist es möglich, dass man neben dem Militär in Krisengebieten eigene Recherchen versucht oder ist sich zu den Betroffenen zu begeben zu problematisch?

 

BG: Das hängt ganz von der Situation ab. Zum Teil ist das ganz leicht und zum Teil ganz schwierig. Allein das Wort Dolmetscher - wer übersetzt da? Wer kann diese Sprache? Wie bin ich sicher, dass das nicht ein Spitzel von der anderen Seite ist, beziehungsweise was glauben meine Interviewpartner? Das muss man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man auf eigene Faust unterwegs ist. Es ist ja häufig nicht mal ein Zufall, wenn man aus dem Hotel kommt und ein Taxi nimmt, dass der Taxifahrer in einem französischsprachigen Land zufällig ganz perfekt englisch spricht und auch ganz viel politisch erklären kann. Dann kann man den Gedanken haben, ob der nebenberuflich vielleicht nicht nur Taxifahrer ist, sondern auch für den Geheimdienst arbeitet. Selbst das ist ja nicht per se verwerflich, selbst ein Geheimdienstmann kann mir ja Sachen erzählen, die ich gerne wissen möchte, nur, ich muss den Verdacht haben und auf die Idee kommen, dass das nicht der reine Glücksfall ist, dass sich Leute gerade in Krisengebieten überlegen wie sie gezielt Informationen an Journalisten loswerden und insofern, ja natürlich geht Eigenrecherche und es gibt bestimmte Situationen in denen sie leichter ist als in anderen, aber man soll sich nicht täuschen, denn das wappnet einen nicht automatisch vor Infiltrationsversuchen einer interessierten Seite.

 

FH: Vielen Dank für das Gespräch

 

 

 

Auszug aus Frontberichte. Die Macht der Medien in den Zeiten des Krieges. Campus 2004

 

„ Bei der Berichterstattung über Kriege sind zahlreiche Regeln außer Kraft gesetzt, die in allen anderen Bereichen selbstverständlich gelten. Das liegt nicht daran, dass Journalisten von einem Tag auf den anderen kriegslüstern geworden wären. Im Gegenteil: Es liegt daran, dass viele derjenigen, die plötzlich damit befasst sind, sich die realen Verhältnisse in Krisengebieten ebenso wenig vorstellen können wie ihre Leser, Hörer und Zuschauer. Afrika, Afghanistan, der Irak und sogar der Balkan sind sehr weit weg von der Bundesrepublik. Das Bedürfnis nach Sicherheit und weltweit durchsetzbaren, menschenwürdigen Verhältnissen aber ist sehr groß und nah.

Wem es gelingt, überzeugend den Eindruck zu erwecken, das verloren gegangene Sicherheitsgefühl wieder beleben zu können – sei es durch neue Gesetze oder durch neue Kriege – der spricht damit die größte politische Verheißung aus, die derzeit in Europa und den USA vorstellbar ist. Sie besteht in dem Versprechen, das Unkontrollierbare sei beherrschbar, definierbar, zähmbar, und wir könnten unsere Maßstäbe auf den Rest der Welt übertragen. Allen Kriegen und Militärinterventionen der letzten Jahre, an denen westliche Länder beteiligt waren, ist eines gemeinsam: die Vorstellung, man könne die Welt von dem befreien, was man selbst unter dem Bösen versteht, wenn man nur bereit ist, für dieses Ziel alle Mittel – auch schreckliche Mittel- einzusetzen. Diese Vorstellung ist nicht neu. Sie ist der Kern jeder Ideologie.“ (Gaus, 2004, 191-192)