Klassengesellschaft
Letzte Woche erschien ein neues Album vom Münchner Rapper Crument. In den sechs Tracks auf der EP “Klassengesellschaft” geht es unter anderem um Klassenkampf, die NATO und Ulrike Meinhof. Im Interview spricht Crument über seine Entwicklung nach links und die Bedeutung seiner Musik. Dein neues Album heißt "Klassengesellschaft". Was willst du mit diesem Titel ausdrücken?
Damit will ich auf die Tatsache hinweisen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben. Ich denke, der Titelsong zeigt das auch sehr gut. Ich meine: die Schere zwischen Arm und Reich gleitet immer weiter auseinander. Entweder du wehrst dich oder du passt dich einem System an, welches das Proletariat ausbeutet und die Bourgeoisie – welche als kleine Gruppe über die Reichtümer der Gesellschaft verfügt – über die Interessen der mehrheitlichen ArbeiterInnenklasse hinweg regieren lässt. Gerechtigkeit sieht in meinen Augen anders aus. Ich hab diesen Titel gewählt, um gleich mal darauf hinzuweisen. Viele Leute werden das anders sehen, aber das ist auch der Grund, weshalb ich versuche, direkte Musik zu machen: Ich liebe Diskussionen. Ich bin immer offen für Fragen und sowohl positive als auch negative Kritik, denn ich denke, jeder Mensch kann aus solchen konstruktiven Kommunikationsformen sehr viel für sich selbst mitnehmen. Der Titel wurde natürlich auch gewählt, weil die Songs auf dem Album dieses Thema sehr elementar behandeln. Jeder einzelne Song (außer vielleicht „24/7 Sommer“) ist ein gesellschaftskritischer Song, jeder Song beinhaltet in verschiedenen Formen die Kernaussage, dass wir in einer Klassengesellschaft voller Profitsucht und imperialistischer Ausbeutung leben.
Eine Frage gleich vorweg: Wenn man deinen Namen googlet, stößt man schnell auf Videos mit Gangstergehabe, Blingbling und sexistischen Inhalten, also typische Sachen für die meisten RapperInnen. Was ist der Hintergrund dieser Tracks?
Das ist eine sehr berechtigte Frage. Diese von Dir angesprochenen Songs sind alle mindestens ein Jahr alt, und stammen somit aus einer Zeit, in der ich nicht wirklich auf meine Wortwahl geachtet habe. Ich hatte weder ein politisches Bewusstsein noch verfolgte ich mit der Musik irgendwelche bewussten Absichten. Ich kam eben durch Battle-Sachen zum HipHop und fuhr diese Schiene auch circa drei Jahre lang. Ich habe zwar auch ernste Sachen gemacht, jedoch hauptsächlich „Machosongs“, in denen sehr gut zum Ausdruck kam, dass mir die Meinung anderer Leute zu diesem Zeitpunkt egal war. Durch meine Politisierung zum Anfang dieses Jahres habe ich mich aber immer mehr von solcher Musik distanziert und mich stattdessen zu der Musik, die ich jetzt mache, hinbewegt. Auch meine antisexistische Position, welche vorher noch nicht vorhanden war (wie man an Songs wie „Als Meister geboren“ merkt), entstand somit auch erst im Laufe des Jahres.
Ich will mich nicht rechtfertigen oder diese Musik legitimieren, sondern nur darstellen, wieso ich solche Sachen gemacht habe. Ich war von sehr vielen Leuten umgeben, die solche Inhalte feierten bzw. immer noch feiern, und ich hab das damals auch gefeiert. Nun sehe ich aber, welche Kraft Musik hat und wie sinnlos es im Endeffekt ist, über Sachen zu rappen, die man sich aus den Fingern zieht. Ich denke, jeder Mensch macht in seinem Leben Phasen durch, die ihn ändern, durch die seine Einstellungen revolutioniert werden können. Ich bin erst 19, somit war ich bei besagten Songs gerade mal 17. Deswegen kann ich es nicht nachvollziehen, wenn Leute, die fast zehn Jahre älter sind als ich, so tun, als hätten sie noch nie Sachen gemacht, welche sie im Nachhinein als nicht korrekt ansehen.
Wie hast du angefangen, dich für linke Politik zu interessieren?
Die Bundestagswahl im September 2009 war der erste Zeitpunkt, an dem ich das erste Mal wirklich ernsthaft über Politik nachgedacht habe. Ich habe mich informiert, „DIE LINKE“ gewählt und das Ganze erstmal eine Zeit ruhen gelassen. Das kam auch daher, weil ich einfach schon immer einen extrem starken Gerechtigkeitsdrang hatte. Ich kann auch heute nur schwer mit Ungerechtigkeit umgehen. Danach begann ich, mich zuerst exzessiv mit der 68er-Bewegung (hauptsächlich mit Rudi Dutschke, Ulrike Meinhof und der Roten Armee Fraktion) auseinanderzusetzen. Der Sozialismus hat mich zu diesem Zeitpunkt stark „gepackt“, obwohl ich nicht viel über dieses System wusste. Ich las in den Büchern von Rudi und Ulrike viele Namen, die mir zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt waren (Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin, Ernesto Che Guevara, Carlos Marighella, Leo Trotzki, Georg Lukacz usw.). Fortan las ich sehr viel über diese Personen und auch über deren Modell einer klassenlosen Gesellschaft. Für mich machte alles einen Sinn. Ich begann immer kritischer gegenüber herrschender Meinungen und Medien zu werden, und der Wunsch, politisch aktiv zu werden, wurde immer stärker. Das war eigentlich der - bis dato sehr kurze - Weg, den ich politisch hinter mir habe. Wer sind deine wichtigsten musikalischen Einflüsse?
Zum Rap kam ich definitiv durch 2Pac und Eminem. Auch heute höre ich noch sehr viel von diesen Künstlern. Aber eine konkrete Antwort darauf kann ich dir eigentlich nicht geben, weil ich musikalisch überhaupt nicht festgelegt bin. Ich höre von The Fugees, The Roots, Gentleman, Fat Joe, Pac, Biggie über Ercandize, Sinan, Vega, über Slipknot, The Who, Linkin Park, usw. eigentlich alles querbeet. Wichtig ist mir, dass ich die Musik fühlen kann. Tracks, in denen damit geprahlt wird, wie viele Frauen oder Geld man hat usw. interessieren mich nicht mehr. Egal, ob ein Song das System kritisiert, von der Ausweglosigkeit auf der Strasse oder von einer Liebesbeziehung handelt – wenn ich den Song fühle, ist mir egal, wie gut der Rapper flowt oder welche abnormalen Vergleiche er benutzt.
Was willst du mit deiner Musik erreichen?
Ganz klar: Ich will politisieren. In meiner Generation interessiert sich kaum einer dafür, warum wir in Deutschland einen vergleichsweise hohen Lebensstandard haben. Keiner interessiert sich für diese immer stärker werdende Unmenschlichkeit. Menschen lieben keine Menschen, Menschen lieben nur den Profit. Die Welt ist kalt, doch keiner bekommt mit, was die Herrschenden mit uns machen. Wir sollen einkaufen, fressen und konsumieren, doch keine/r bemerkt, dass wir damit ruhig gestellt werden. Wir führen Krieg gegen den vermeintlichen Terror, legitimiert durch die schrecklichen Geschehnisse am 11.September 2001. Viele Leute müssen für die Profite weniger sterben. Meine Generation liest kaum und denkt fast nie kritisch, aber sie hört Musik. Deswegen nutze ich das, um als Sprachrohr linker gesellschaftskritischer Politik zu fungieren und um Leute dazu zu bewegen, dieses System zu hinterfragen.
Wenn nur eine einzige Person durch meine Musik sich entscheidet, für die Überwindung des Kapitalismus einzutreten, bin ich zufrieden. Ich will Teil der Lösung sein, und da meine Talente nun mal in der Musik liegen, ist das für mich die beste Möglichkeit, für eine radikale Änderung der Gesellschaft einzutreten.
Ein Lied auf deinem neuen Album richtet sich gegen die NATO. Der Anlass dazu ist vermutlich die sog. "Sicherheitskonferenz", die jedes Jahr in deiner Heimatstadt von der NATO abgehalten wird.
Sicherlich auch, jedoch will ich hauptsächlich darauf aufmerksam machen, das die NATO massiven Etikettenschwindel betreibt. Sie setzt sich angeblich für Frieden ein, doch tötet derzeit in Afghanistan haufenweise ZivilistInnen. Die NATO, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika, ist der größte Verbrecher, nicht vermeintliche TerroristInnen bzw. Aufständische. Georg Klein ist für die, am 4. September 2010 in Kundus stattgefundene Massenermordung von ZivilistInnen verantwortlich, wurde jedoch freigesprochen, sogar ein Verfahren der Bundeswehr gegen ihn wurde eingestellt. Die NATO ist eine imperialistische Institution, d.h. sie vertritt die Interessen der „führenden“ Staaten der Welt. Diese unterdrücken andere Länder, um dort dem globalisierten Kapital noch mehr Kapitalakkumulationsmöglichkeiten zu bieten. Das muss in meinen Augen sofort gestoppt werden, denn es vergrößert nur die immer stärker werdende soziale Ungleichheit in der Welt.
Wie machst du Politik neben deiner Musik?
Ich bin der festen Überzeugung, dass nur eine Weltrevolution, die den Kapitalismus international überwindet, uns vor drastischen Fehlern wie einer Entwicklung hin zur stalinistischen Bürokratie – wie in der UdSSR geschehen - bewahren kann. Dies ist der einzige Weg, andere Wege machen für mich wenig Sinn. Deswegen setze ich mich für eine Revolution als Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft ein, weil dies das einzige System ist, in welchem kein Krieg, kein Profitzwang, keine soziale Kälte und auch kein Hunger herrscht. Des Weiteren bin ich Mitglied der Roten Hilfe, weil ich der Meinung bin, dass in diesem Land viel zu wenig für politische Gefangene, für Rechtsbeistand und auch gegen diese immer stärker werdende Kriminalisierung und Repression gegen linke Politik getan wird.
Interview: Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), 3. November 2010
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