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fehe



Was die Geschichte fast vergessen hätte...

FEUILLETON Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.04.2008, Nr. 82, S. 35

 

Was die Geschichte fast vergessen hätte

Endlich: Das Moderna Museet in Stockholm kauft systematisch Kunst von Frauen

 

STOCKHOLM, im April 2008

 

Fangen wir mit einer einfachen Feststellung an: Jede Zeit hat das Recht, ihre eigene Geschichte zu schreiben. Das gilt natürlich auch für die Kunstgeschichte, und in nichts anderem besteht ja auch die alltägliche Museumsarbeit. Namen, die einmal groß waren, verschwinden mit ihren Werken im Depot, ungesehen, vergessen in dunklen Archivgängen; andere, die lange Zeit kaum jemand kannte, werden plötzlich hervorgeholt. Niemand erinnert sich beispielsweise noch an den armen Ernest Meissonier, den frenetisch beklatschten Pferdemaler des neunzehnten Jahrhunderts; alle dagegen kennen Édouard Manet, den ehrgeizigen, aber weitaus weniger anerkannten Zeitgenossen. Jede Generation möbliert also ihr Gedächtnis neu, sie entscheidet, woran sie sich erinnern will und was sie dem Vergessen übergibt.

 

Das klingt zunächst einmal einleuchtend und nachvollziehbar; dass in der Praxis aber oft ungeahnte Hürden auftauchen, diese Erfahrung machte vor einigen Jahren Lars Nittve, Direktor des Moderna Museet in Stockholm, das ganz ohne Übertreibung eine Kaderschmiede des modernen Kunstkanons genannt werden kann. Vor sieben Jahren saßen Lars Nittve und seine Mitarbeiter in einem geschlossenen Museum, der gerade errichtete Neubau hatte sich als Pfusch erwiesen und musste, nachdem er fertig geworden war, sofort wieder saniert werden. Zwei Jahre blieb man daraufhin ohne Besucher, inmitten von etwa 275 000 Arbeiten, Gemälden, Skulpturen, Grafiken, Drucken und Fotografien. Ins Positive gewendet: Man hatte Zeit zum Nachdenken. Und noch dazu rollte ein Jubiläum an, fünfzig Jahre Moderna Museet - ein Anlass mehr, sich zu fragen, welche Geschichte der Kunst man in seinen Ausstellungsräumen schreiben wollte.

 

Und damit wären wir auch schon bei den Hürden. Die Sichtung der Sammlung ergab nämlich, dass Pontus Hultén, der Gründungsdirektor des Museums von 1958, ganz systematisch Schlüsselwerke angekauft hatte - und ebenso systematisch keine Frauen. Man hockte auf einer Sammlung, die zu über neunzig Prozent von Männern stammte, der Frauenanteil lag zwischen sechs und zehn Prozent; je weiter man in der Geschichte zurückging, desto niedriger sank die Zahl. Die Verdienste von Pontus Hultén, Visionär und wahrscheinlich einflussreichstem Museumsdirektor des zwanzigsten Jahrhunderts, sind unbestritten: Er war es, der die amerikanische Moderne in den europäischen Kanon einfädelte, der bereits im Jahr 1968 Andy Warhol ausstellte und damit zum ersten Mal in Europa. Amerikanern - in Europa sah man das in den fünfziger Jahren noch anders - traute er durchaus zu, Kunst zu machen. Frauen offensichtlich aber nicht. Mit Ausnahme von Niki de Saint Phalle, deren knapp dreißig Meter lange Riesenfrauskulptur "Hon" er 1966 im Moderna Museet zeigte, sammelte Hultén von Frauen eher nichts oder nur Kleinformatiges, Firlefanzhaftes: eine Druckgrafik hier, eine Edition dort. Nur zum Vergleich: Von Robert Rauschenberg kaufte er wuchtige Arbeiten wie "Monogram" (1955 bis 1959), die berühmte bemalte Angoraziege - von Louise Bourgeois aber nicht eine größere Skulptur. "Wir haben Verantwortung der jüngeren Generation gegenüber", sagt Iris Müller-Westermann, die das Projekt leitet. Unter den jährlich 600 000 Besuchern befinden sich auch viele Schulklassen. Was sie sehen, halten sie für die offizielle Kunstgeschichte, nicht für die männerdominierte Ankaufspolitik der sechziger Jahre. Und der Eindruck, dass Frauen zur Moderne kaum oder wenn nur Randständiges beigetragen hätten, sei nun einmal kunsthistorisch falsch.

 

Lars Nittve beschloss daraufhin, einen Stein ins Rollen zu bringen. Er schrieb einen öffentlichen Brief, der 2006 in der schwedischen Tageszeitung "Dagens Nyheter" abgedruckt wurde. Darin forderte er die Regierung auf, dem Museum fünfzig Millionen Kronen zu geben, um die Sammlungslücken zu schließen und systematisch Werke von Frauen anzukaufen.

 

Fünfzig Millionen, umgerechnet fünf Millionen Euro, das war ein symbolischer Wert. Davor hatte schon einmal Hultén fünf Millionen von der Regierung gefordert - und sie erhalten. Im Jahr 1963 hatte Hulten vom westlichen Kunstmarkt 183 Werke der klassischen Moderne zusammengeliehen, von Galerien, Privatleuten und Händlern. Alle Werke konnten gekauft werden, und Hultén, mit Hilfe des schwedischen Staates, erwarb 36 Werke davon, darunter Gemälde von Dalí, Picasso oder Ernst. "The Museum of Our Wishes" hatte der kluge Museumsmann damals sein Projekt genannt. "The Second Museum of Our Wishes" taufte Lars Nittve seines. Danach hagelte es erst einmal Kritik. Die Politik spreizte sich, in Schweden standen Wahlen an, davor wollte keine Seite Zusagen machen. Die einen fanden ihn zu radikal, die anderen nicht radikal genug. Gudrun Schylman, eine der bekanntesten Feministinnen in Schweden, schlug vor, doch einfach Stücke aus der Sammlung zu verkaufen. Nur ein Werk der so zahlreich vertretenen großen Männer würde auf dem Markt weit mehr einbringen als die vom Staat geforderten fünfzig Millionen Kronen. Lars Nittve hat darauf eine schlichte Antwort: Geht nicht, ein staatliches Museum darf nicht verkaufen, so ist die Rechtslage.

 

Unterstützung und Enthusiasmus kamen von privater Seite. Es waren zuerst - verwunderlich ist es ja nicht - Frauen, die sich begeisterten. Babro Osher etwa, schwedische Generalkonsulin in San Francisco, spendete eine Million Dollar. Lars Nittve fuhr nach New York, besuchte die siebenundneunzigjährige Dorothea Tanning und die sechsundneunzigjährige Louise Bourgeois. Von beiden kaufte er Arbeiten. Neu erworben wurden auch Werke von Ljubow Popowa, Lee Lozano, Carolee Schneemann oder Judy Chicago.

 

Im Moderna Museet, das kann man jetzt schon sehen, wurden die Weichen neu gestellt, die Kunstgeschichte rollt nicht mehr nur die alten Gleise hinunter, sondern biegt plötzlich in andere Richtungen ab. Zusammen in einem Raum mit Kasimir Malewitsch und Tatlin hängen nun die Bilder der schwedischen Malerin Hilma af Klint, es sind Dauerleihgaben der Hilma af Klint Foundation in Stockholm. "Der Schwan", drei konzentrische Kreise auf schwarzem Grund aus dem Jahr 1914, schaut wie ein blinzelndes Riesenauge in den Sammlungssaal, ein futuristischer Blick in die Moderne aus einem Land, das weit entfernt von Moskau, Paris oder Berlin liegt. Von 1907 an komponierte af Klint, geboren 1862, Tafelbilder aus Kreisen, Ellipsen und Schlaufen, im Rest von Europa sollte die Malerei erst noch zur Abstraktion finden. Ein Medium, gab af Klint an, die Kunst studiert hatte und in spiritistischen Kreisen verkehrte, diktiere ihr die Bilder. Wie hätte eine Frau im Norden Europas allerdings sonst erklären sollen, dass sie nicht nur malt - sondern auch noch abstrakt?

 

Es ist kein Geheimnis, dass Kunst von Frauen noch immer einen Bruchteil dessen kostet, was für vergleichbare Werke von Männern gezahlt wird. Ein Gemälde von Popowa kostet ein Zehntel von einem Malewitsch. Noch. Und fast muss man dem Kunstmarkt dafür dankbar sein, dass er es immer schwerer macht, Trends hinterherzulaufen.

 

Das Einheitsmuseum jedenfalls, wie wir es aus den achtziger Jahren kennen, wo von Mario Merz bis Anselm Kiefer alle die gleiche Kunst sammelten, wird damit zu Grabe getragen. Das ist die andere Lehre dieses schönen Museums der Wünsche: Museen werden von einer Vision leben müssen. Phantasielosigkeit ist einfach zu teuer geworden.

 

JULIA VOSS

 

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April 24th, 2006 Stockholm

 

"When it comes to masterpieces," Lars Nittve, the museum's director, argued in the Swedish daily Dagens Nyheter last week, "a sloppy prioritisation of male artists has been going on for decades so that the Moderna Museet's collection consists of approximately 90% works by men and 10% by women. No one can say that this is a correct mirror of the world's artistic talent - or indeed Sweden's."

So staff tried to pick more work by women among the 250,000 works the Moderna Museet owns, but "it has proved very difficult". "Not only are we missing so many of the female pioneers," said Nittve, "but those that are in our collection are often represented by less important, somewhat peripheral, pieces."

 

To fix past wrongs, the Moderna Museet now hopes to buy 20 works by female artists such as Frida Kahlo, Dora Maar, Louise Bourgeois or Paula Modersohn-Becker. "The art history which our many visitors would see would be utterly different," reckons Nittve, who is very critical of the museum's past purchasing policy. "The big mistake they made was in the 1960s when they bought 36 fantastic paintings in order to make the museum one of the world's most important collections of modern art. They only bought paintings by male artists."

The Moderna Museet's move transfers to the art world a strong tradition in Sweden of placing gender equality high on the political agenda.

 

The government has included 50% female ministers for the last decade. It is now considered unthinkable that this number will be less in the future. In parliament, Sweden has the second highest proportion of female MPs in the world (45.3%). And the Swedish government has even been toying with the idea of imposing a 40% quota of women on the boards of companies.

Many in Britain may feel that such positive discrimination-style tactics, however valid in the political sphere, have little place in the arts, and may question Nittve's analysis that his predecessors made a "big mistake" in the 1960s. After all, they can hardly be blamed for having strenghtend the museum's excellent international reputation. But although it takes more than a little proactive curating to right the wrongs of history, perhaps this is a step in the right direction.

 

blogs.guardian.co.uk/culturevulture/archives/2006/04/24/repainting_hist.html

 

 

 

Ausstellung MATRIX - Geschlechter | Verhältnisse | Revisionen in MUSA

SCHENKUNG

Im Zuge der Ausstellung "Mothers of Invention - Where is Performance coming from?" (MUMOK Factory, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, 6. 12. 2003 bis 1. 2. 2004) führt die Künstlerinnengruppe

>a room of one's own< die Schenkung ihres Frühwerks durch.

 

Mit diesem Vorgehen spiegelt >a room of one's own< die Lückenhaftigkeit patriarchaler Kunstgeschichtsschreibung, die in institutioneller Repräsentation und einem traditionellen Werkbegriff verankert ist und sich in einer auffällig zögerlichen Aufnahme von Frauen in den allgemeinen Kunstkanon äussert. Das Spiel um Besitz und Transfer von Ideen und Produkten wird hierbei zur feministischen Strategie, Aspekte kapitalistischer Logik zu unterwandern und mit eigendefinierter Bedeutung aufzuladen.

 

Die Schenkung des Frühwerks von >a room of one's own< erfolgt an internationale Insitutionen, die beispielhaft für das zeitgenössische Ausstellungs- und Sammlungswesen ausgewählt werden und Tendenzen hinsichtlich der Präsenz von Künstlerinnen und der Sichtbarkeit von feministischem Kunstschaffen reflektieren mögen.

 

Der Thematisierung perfomativer Räume durch die Ausstellung "Mothers of Invention" entsprechend, knüpft >a room of one's own< mit dieser Schenkung an eine Reihe früherer Aktionen an, deren Anliegen es war, feministische Inhalte in den öffentlichen Raum zu tragen oder in Form von institutioneller Kritik zu vermitteln.

 

Das Frühwerk von >a room of one's own< beinhaltet sämtliche Arbeiten und Aktionen zwischen dem Zeitpunkt der Gruppengründung und dem heutigen Datum (siehe Dokumentation auf www.aroomofonesown.at). Die Schenkung wurde zunächst an 10 führende internationale Museen durchgeführt:

 

Museum of Modern Art New York

Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

Moderna Museet, Stockholm

Centre Pompidou, Paris

Migros Museum, Zürich

Museum Ludwig, Köln

Stedelijk Museum Amsterdam

Museo d'Art Contemporani de Barcelona

Tate Modern, London

J.Paul Getty Museum, Los Angeles

 

Entsprechend der Häufigkeit des - egal ob bewussten oder unbewussten - Ausklammerns weiblicher Positionen aus Kunstvermittlungsinstitutionen, unterliegt der Schenkungsakt jedoch keiner limitierten Auflage.

GIFT TILL THEY SHIFT!