Axiom, 19.Februar 2014, 14-16 Uhr, Gespräch mit Jan Dumno, Hans-Jürgen Puhle und Herrn Röder (http://www.roeder-aufzuege.de/) über den AfE-Turm. play: Jan Dumno, Hans-Jürgen Puhle und Herr Röder
Sondersendung zur Sprengung des Afe-Turms am Sonntag 2. Februar 2014, 9-11 Uhr, Du haßt Ihn, aber Du hast ihn! play: Sondersendung zur Sprengung des Afe-Turms
Mit der geplanten Sprengung des AfE-Turms am 2. Februar 2014 um 10 Uhr wird die fünfzigjährige Geschichte des ersten Universitäts-Turms der Goethe-Universität enden. Diesen Anlass nutzen wir, um dem AfE-Turm am Sonntag eine letzte Ehre in einer Sondersendung von 9–11 Uhr auf radio x zu erweisen.
Die ersten Planungen für den Ausbau der „Abteilung für Erziehungswissenschaften" (AfE) begannen 1960. Ab 1964 wurden die Pläne für den Bau des „AfE-Turms" schließlich konkret: Geplant war es als das höchste Haus Frankfurts und das höchste Universitätsgebäude Europas. Stadt, Land und Universität legten damit den Grundstein für einen Wandel in der Stadt. Mittels Hochhausrahmenplan und Wolkenkratzer-Clustern wurde anschließend die gesamte Ansicht des Stadtbildes neu gestaltet.
100 Jahre Goethe-Universität 2014 bietet somit den Anlass, ein halbes Jahrhundert Turmgeschichte zu thematisieren. Die von Beginn an kritischen Stimmen aus allen Bereichen des kulturellen Lebens begleiteten die Entstehung des Afe-Turms in Frankfurt. Als Stein des Anstoßes bot das Gebäude bereits während seiner Bauphase Anlass für Erregung. Nach der aufwändigen Aushebung der Baugrube gab es von 1966 bis 1969 einen Baustopp, weil sowohl die Finanzierung als auch die Belegung strittig waren. Die Fertigstellung erfolgte dann bis 1973 und kostete insgesamt rund 50 Millionen D-Mark. Geschichten in und um den Afe-Turm begleiten die Goethe-Universität bis heute.
Der so genannte Elfenbeinturm bildete das soziale und kommunikative Zentrum für die wissenschaftlichen und politischen Diskurse dieser Zeit. Es herrschte eine Tradition des autonomen und kritischen Denkens. Der Afe-Turm wurde so zum Sinnbild für neuartige gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, die das kulturelle Leben eines Campus erst ausmachen. Für ein letztes Geleit nehmen wir am Sonntag gerne Hörer in die Sendung.
Beitrag von Jan Dumno www.youtube.com/watch
Weitere Informationen - Afe Turm - Stadtentwicklung
Pressemitteilung, 20.01.2014 - cum tempore: www.leonhardikulturprojekte.org/index.php
Am 2. Februar um 10.00 Uhr soll der Afe-Turm gesprengt werden. Es wäre damit das höchste Gebäude, das jemals in Europa gesprengt worden wäre. Ein ganzer Turm wird gesprengt. Ein ganzer Turm? Nein! Zwei Aufzüge leisten Widerstand. Leonhardi Kulturprojekte e.V. konnte durch Unterstützung der ThyssenKrupp Aufzüge GmbH zwei Kabinen retten. Sie stehen als Originale für zukünftige Kultur- und Ausstellungsprojekte zur Verfügung. Der Hessische Rundfunk hat den Ausbau filmisch begleitet:
HR-Beitrag: Geliebt und gehasst - der AfE-Turm in Frankfurt, www.youtube.com/watch
Nachruf: In Frankfurt am Main wurde der Uni-Turm gesprengt, einst Symbol intellektueller Aufbruchstimmung. Unser Autor erinnert sich.
05.02.2014 | 12:00 3 Einstürzender Neubau von CHRISTIAN SÄLZER
www.freitag.de/autoren/der-freitag/einstuerzender-neubau
Den meisten Zuschauern geht es lediglich um den großen Knall. Zehntausende drängen sich an diesem Sonntagvormittag auf den Straßen im Frankfurter Stadtteil Bockenheim, Schaulustige und Spreng-Spotter, angereist, um mitzuerleben, wie auf Knopfdruck ein 116 Meter hoher Betonkoloss in sich zusammenfällt wie ein leerer Sack. In der Masse tummeln sich jedoch auch jene, die nicht die bloße Lust am Spektakel hierher getrieben hat. Sie sind gekommen, um Abschied zu nehmen von einem prägenden Ort ihrer persönlichen und der kollektiven Geschichte. Es ist eine letzte Ehrerbietung, mit Gefühlen zwischen Wehmut, Trauer und bitterem Zorn.
Der Frankfurter Uni-Turm war immer schon ein mächtiges Symbol, weil er in jeder Hinsicht herausragte. Als er 1973 eröffnet wurde, war er das höchste Gebäude der Stadt und das Fanal einer fulminanten Bildungsexpansion. Seine Architektur: brutaler Ausdruck der kühlen Technokratie jener Tage. Der Einzug der Fachbereiche Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften auch ein Statement, wie hoch diese Fächer damals im Kurs standen. In den 37 Stockwerken bezog eine Riege junger und linker Professoren ihre Stellungen. Eine neue Zeit konnte beginnen.
Die Kraft der Theorie
Trotz seiner Größe war der Turm schnell zu klein. Nichts verkörperte den Ansturm auf die Sozialwissenschaften und den entstehenden Massenbetrieb so sehr wie die Überforderung der sechs winzigen Aufzüge, die täglich Tausende in die Höhe befördern mussten. Vier Jahrzehnte lang zog der Turm Studierende magnetisch an, sie wurden angelockt vom kritischen Geist und aufmüpfigen Gestus des Ganzen. Man glaubte an die Kraft der Theorie und daran, durch intellektuelle Auseinandersetzung die Welt verändern zu können. Tatsächlich wurde im Turm nicht einfach Politologie, Soziologie oder Pädagogik studiert. Es wurden Haltungen erzeugt und Identitäten geformt. Spätestens nach drei Semestern hatte man entweder die Flucht ergriffen – oder man war überzeugter historischer Materialist, kritische Theoretikerin, Tiefenhermeneutiker, Feministin, Post-Freudianer, Strukturalistin oder zumindest IB’ler geworden. Für einige war damit auch klar, wen sie im Aufzug noch zu grüßen hatten und wen nicht.
Doch die theorielastigen Inhalte waren nur das eine. Zum „Turm“ wurde der Uni-Turm, weil er ein weitgehend regel- und kontrollfreier Raum war, ein Gegenentwurf zu all dem, was man aus der Schule kannte und über eine Hochschule zu wissen meinte. Hier zu studieren bedeutete, mit einem verstörend hohen Maß an Freiheit konfrontiert zu werden. Niemand sagte, was man zu tun hatte. Schon den richtigen Seminarraum zu finden, erforderte vortreffliche Selbstorganisation. Das ließ viele verzweifeln. Andere aber packten die Gelegenheit beim Schopf und probierten aus, was Autonomie und selbstbestimmtes Lernen bedeuten konnten. Man eignete sich das Gebäude an, organisierte eigene Veranstaltungen, betrieb studentische Cafés, feierte wild, debattierte hitzig und überzog jede Wand von oben bis unten mit Parolen.
Wann immer ein Hochschulstreik ausbrach, wurden hier die Treppenhäuser verriegelt, die Aufzüge blockiert und damit der gesamte Betrieb stillgelegt. Ein Happening, jedes Mal wieder. Die Studienordnung ermöglichte all das. Die formalen Anforderungen waren so mager, dass man das Diplom oder den Magister nach fünf Semestern in der Tasche haben konnte. Aber warum sollte man? Also blieb man 13, 14 Semester, im Bewusstsein, dass man nie wieder so viel Freiraum haben würde.
Mehr als Ausbildung
Natürlich war das Ganze ziemlich überspannt. Letztlich aber wurde im Turm Ernst gemacht mit dem, was die Bildungsreform an Versprechungen mit sich gebracht hatte: dass Bildung mehr ist als Ausbildung, dass Nachdenken Zeit braucht und dass die Gesellschaft kritische Geister verdammt nötig hat. Man kann es auch so sagen: Der Turm war die radikalste Auslegung jener Art von Hochschule, die drei Jahrzehnte lang die akademische Bildung dominierte: ein Massenbetrieb mit demokratisch-emanzipatorischem Geist, der hier besonders links und aufgeregt, chaotisch und trashig, ernsthaft, leidenschaftlich und ungemein frei und produktiv gelebt wurde. Der Turm – ein Kind seiner Zeit, aber eben das lauteste und auffälligste.
Vergangene Zeiten. Vor einigen Jahren hat die Universität sich aus Bockenheim verabschiedet, um sich auf einem ehemaligen IG-Farben-Gelände anzusiedeln, einem umzäunten, parkähnlichen Campus-Areal. Passenderweise waren die Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften die letzten, die man in die neue Uniwelt mit ihren Neubauten, straffen Curricula und Exzellenambitionen herübergeholt hat.
Damit hatte der Turm ausgedient. Aber er stand noch, ein Relikt, zuletzt nur noch eine Ruine. Doch wer Frankfurt und seinen Drang, jeden Quadratmeter in Wert zu setzen, kennt, wusste, dass das nicht so bleiben würde. Neue Bürohochhäuser sind längst in Planung. Als der Entschluss fiel, den Turm zu sprengen, mag das pragmatisch motiviert gewesen sein. Es war aber wiederum ein starkes Symbol: Mit voller Wucht würde ein Ort und die Erinnerung an das, was er bedeutete und ermöglichte, auf einen Schlag ausgelöscht.
Um 10.04 Uhr werden an diesem Sonntag die Sprengladungen gezündet und der Turm in die Knie gezwungen. In Sekundenbruchteilen stürzen die 37 Stockwerke in sich zusammen. Als sich 20 Minuten später die Staubwolken verziehen und sogar die Sonne herauskommt, zeigt sich, was bleiben wird: eine gewaltige Leere. Im Vorfeld der Sprengung wurde über das Risiko diskutiert, dass sich nach der Abtragung des Schutts das fehlende Gewicht des Turmes ungünstig auf die Erdschichten im Umfeld auswirken könnte. Das wäre es dann noch: Wenn der Turm im Moment seines endgültigen Verschwindens die Fundamente der schönen neuen Welt ins Wanken brächte.
Links:
Und dann kam Krater Edi
jungle-world.com/artikel/2014/06/49290.html
Tausende Schaulustige begeben sich an die Bockenheimer Warte in Frankfurt, um bei der größten Sprengung dabei zu sein, die jemals in Europa durchgeführt wurde. Die Bahnen sind überfüllt, die Bahnlinie U4 ist wegen der Sprengung außer Betrieb. Kurz vor zehn Uhr steigt die Spannung. Der Countdown läuft: drei, zwei, eins. Nichts geschieht. Einige Sekunden später werden 950 Kilogramm Sprengstoff gezündet und bringen den 116 Meter hohen und 50 000 Tonnen schweren AFE-Turm zu Fall. Zunächst geht die Außenfassade zu Boden, auf halbem Weg verschwindet die Aufschrift »Elfenbein« in der Rauchwolke. Wenige Millisekunden später zerfällt das Innere des Turms, in dem Generationen von Geisteswissenschaftlern unterrichtet wurden. In meinem Kopf spielen die Pixies »Where is my Mind«, neben mir stehende ehemalige Studierende haben Tränen in den Augen. Nach der Marginalisierung der kritischen Theorie der Frankfurter Schule im Universitätsbetrieb ist nun auch ihre materielle Dekonstruktion gelungen. Sprengmeister Eduard Reisch, genannt Krater-Edi, hat es geschafft. Die Computersimulation hatte noch nahegelegt, dass umliegende Gebäude wie das Senckenberg-Naturmuseum Schaden nehmen könnten. Entgegen aller Befürchtungen stehen sie noch. Für die nachfolgende Generation von Studierenden wird es nie wieder Turmbesetzungen geben, nie wieder werden sie Graffitis an die Wände des Turms sprühen. »Hört auf mit dem Scheiß jetzt!« Diese legendäre Durchsage machte die Frankfurter Polizei 2011 während einer Demonstration gegen die Innenministerkonferenz, die am AFE-Turm vorbeiführte. Dort wurde Pyrotechnik gezündet und ein großes Plakat mit den Worten »No sleep till Communism« heruntergelassen. Da wo einst der AFE-Turm stand, liegt nun Schutt. Manch ein ehemaliger Studierender hofft wohl noch, dass aus den Trümmern der alten Gesellschaft die sozialistische Weltrepublik aufsteigt.
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=zR8ghPxKMH0
Der Turm stürzt ein - Ton Steine Scherben: www.youtube.com/watch
Sprengung: vimeo.com/85645136
Aufnahme der Sprengung von Josse für Radio x |
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