Axiom, 16. April 2014, 14-16 Uhr, Lesungen und Gespräch mit Jessica und Suse über den 81.Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 play: 81. Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland
Bücherverbrennung 1933 in Deutschland
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Kurz nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 kam es im März im Zuge einer „Aktion wider den undeutschen Geist“ zu einer organisierten und systematisch vorbereiteten Verfolgung jüdischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller. Dabei handelte es sich um eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und durchgeführte Aktion unter Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). Höhepunkt waren die am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz und in 21 anderen deutschen Universitätsstädten groß inszenierten öffentlichen Bücherverbrennungen, bei denen Werke verfemter Autoren von Studenten, Professoren und NS-Organen ins Feuer geworfen wurden.
Die „Aktion wider den undeutschen Geist“
Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin am 10. Mai 1933 Bereits während der Weimarer Republik war die Deutsche Studentenschaft (DSt) nationalpolitisch geprägt, die Studentenschaften wurden zunehmend von nationalistischen, antisemitischen und republikfeindlichen Kräften dominiert, an den deutschen Universitäten herrschte ein deutlich reaktionärer, chauvinistischer und nationalistischer Geist. Seit dem Sommer 1931 wurde die DSt von einem Vertreter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) geführt, der bei den AStA-Wahlen 1931 44,4 Prozent der Stimmen erlangt hatte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 konkurrierten DSt und NSDStB um die Vorherrschaft. Um die Schlagkraft der Organisation zu erhöhen, wurde drei Monate nach der Machtergreifung und kurz nach der Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 in der »Reichsleitung der Deutschen Studentenschaft« ein eigenes »Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft« eingerichtet.
Anfang April 1933 forderte die Deutsche Studentenschaft ihre Organe auf, sich an einer vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“ unter der Leitung von Hans Karl Leistritz zu beteiligen, die am 12. April beginnen und an deren Ende am 10. Mai spektakuläre öffentliche Bücherverbrennungen stehen sollten. Die Aktion erfolgte unter Berufung auf die Bücherverbrennung während des ersten Wartburgfestes 1817 und war als „Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist“ angelegt: „Der jüdische Geist, wie er sich in der Welthetze in seiner ganzen Hemmungslosigkeit offenbart, und wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, muss aus diesem ausgemerzt werden.“ Für die Hochschulpolitik bedeutete die „Aktion wider den undeutschen Geist“ den Anfang der Eroberung der Universitäten durch die zur „geistigen SA“ deklarierten Studentenschaften.
Als erste Maßnahme wurde der Befehl gegeben, an den Hochschulen „Kampfausschüsse wider den undeutschen Geist“ zu bilden, denen zwei Studenten, ein Professor, ein Vertreter des von Alfred Rosenberg geleiteten „Kampfbundes für Deutsche Kultur“ und ein Schriftsteller angehören sollten. Vorsitz hatte ein Führer der jeweiligen Studentenschaft.
Vorbereitung
Wichtigstes Element des politischen Kampfes der Studenten war die Propagandaarbeit. Am 2. April 1933, einen Tag nach dem Boykott jüdischer Geschäfte, wurde ein detaillierter Ablaufplan entworfen, am 6. April wurden die Einzelstudentenschaften in einem Rundschreiben über die bevorstehende Aktion in Kenntnis gesetzt:
„Die Deutsche Studentenschaft plant anläßlich der schamlosen Greuelhetze des Judentums im Ausland eine vierwöchige Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist und für volksbewußtes Denken und Fühlen im deutschen Schrifttum. Die Aktion beginnt am 12. April mit dem öffentlichen Anschlag von 12 Thesen, Wider den undeutschen Geist’ und endet am 10. Mai mit öffentlichen Kundgebungen an allen deutschen Hochschulorten. Die Aktion wird — in ständiger Steigerung bis zum 10. Mai — mit allen Mitteln der Propaganda durchgeführt werden, wie: Rundfunk, Presse, Säulenanschlag, Flugblätter und Sonderartikeldienst der DSt-Akademischen Korrespondenz.“ (Akten der Deutschen Studentenschaft im „Archiv der ehemaligen Reichsstudentenführung“ in der Universitätsbibliothek Würzburg) Die Führung der Deutschen Studentenschaft setzte mit dieser Initiative alles daran, ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur Mobilisierung der Studenten für den Kampf des Nationalsozialismus unter Beweis zu stellen, da der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) nach der Reichstagswahl im März 1933 das ausschließliche Recht der politischen Erziehung der Studenten beansprucht hatte. Im Zuge der Vorbereitungen kam es daher zu einem Konkurrenzkampf zwischen beiden Organisationen und ihren Führern Gerhard Krüger (DSt) und Oskar Stäbel (NSDStB). Noch am Vortag des Aktionsbeginnes, am 11. April, befahl Stäbel in einer „Eil-Anordnung“, die Aktion der DSt nicht nur zu unterstützen, sondern „die Führung dabei zu übernehmen“.
Die zwölf Thesen wider den undeutschen Geist (Flugblatt vom 12. April 1933) „12 Thesen wider den undeutschen Geist“
Den Auftakt bildeten am 12. April 1933 „12 Thesen wider den undeutschen Geist“, in denen die Positionen und Ziele der „Aktion“ zusammengefasst waren und die jüdische, sozialdemokratische, kommunistische und liberale Ideen und ihre Vertreter anprangerten. Sie wurden in roter Frakturschrift in deutschen Universitäten plakatiert und von vielen Zeitungen veröffentlicht:
Sprache und Schrifttum wurzeln im Volke. Das deutsche Volk trägt die Verantwortung dafür, daß seine Sprache und sein Schrifttum reiner und unverfälschter Ausdruck seines Volkstums sind. Es klafft heute ein Widerspruch zwischen Schrifttum und deutschem Volkstum. Dieser Zustand ist eine Schmach. Reinheit von Sprache und Schrifttum liegt an Dir! Dein Volk hat Dir die Sprache zur treuen Bewahrung übergeben. Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist. Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. Der Student, der undeutsch spricht und schreibt, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu. Wir wollen die Lüge ausmerzen, wir wollen den Verrat brandmarken, wir wollen für den Studenten nicht Stätten der Gedankenlosigkeit, sondern der Zucht und der politischen Erziehung. Wir wollen den Juden als Fremdling achten und wir wollen das Volkstum ernst nehmen. Wir fordern deshalb von der Zensur: Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in deutsch, sind sie als Übersetzung zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur Deutschen zur Verfügung. Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt. Wir fordern vom deutschen Studenten Wille und Fähigkeit zur selbständigen Erkenntnis und Entscheidung. Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Reinerhaltung der deutschen Sprache. Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben. Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens im deutschen Geiste. Wir fordern die deutsche Hochschule als Hort des deutschen Volkstums und als Kampfstätte aus der Kraft des deutschen Geistes. Der Leiter des reichsweiten Kampfausschusses wider den undeutschen Geist war Paul Karl Schmidt. Die örtlichen „Kampfausschüsse“ sollten als Speerspitze der Studentenschaft gegen den „jüdischen Intellektualismus“ handeln. Schmidt war für das Plakat und die 12 Thesen verantwortlich; seine Rolle beim Kampfausschuss befähigte ihn für seine spätere antijüdische Kriegspropaganda als Pressechef im Auswärtigen Amt und seine noch spätere (nach 1945) journalistische Tätigkeit.
Artikeldienst
Parallel zur Plakataktion wurde ein so genannter „Artikeldienst“ mit unterstützenden Statements national eingestellter Kulturschaffender und Intellektueller organisiert, durch den die Öffentlichkeit auf die Aktion eingestimmt werden sollte. 66 Schriftsteller, deren „Einstellung zum deutschen Schrifttum“ der Studentenschaft bekannt war, wurden gebeten, einen Aufsatz zur Verfügung zu stellen, der über den Artikeldienst der DSt in der Presse verbreitet werden sollte, darunter Werner Bergengruen, Richard Billinger, Paul Ernst, Max Halbe, Karl Jaspers und Julius Streicher. Der Erfolg dieser Aktion war sehr dürftig. Der größte Teil der Angeschriebenen reagierte überhaupt nicht, nicht einmal Alfred Rosenberg, der in einem eigenen Schreiben um ein Einleitungswort zu der Aktion gebeten worden war. Etliche Schriftsteller wiesen auf die zu kurze Vorlaufzeit hin und boten bereits Veröffentlichtes zum Nachdruck an, wie der in München lebende Erwin Guido Kolbenheyer.[5] Veröffentlicht konnten letztlich aber nur vier Beiträge werden, nämlich von Herbert Böhme, Will Vesper, Alfred Baeumler und Kurt Herwarth Ball (s. u. „Zeitungsberichte“).
Professorenboykott
Am 19. April erfolgte ein Aufruf der DSt-Führung, als weitere Aktion den Kampf „gegen den für unsere deutsche Hochschule untauglichen Hochschullehrer“ aufzunehmen. Die Losung lautete: „Der Staat ist erobert. Die Hochschule noch nicht! Die geistige SA rückt ein. Die Fahne hoch!“ Die Studenten wurden aufgerufen, Hochschullehrer, die nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus ihren Ämtern auszuscheiden hatten, mit eidesstattlichen Erklärungen und belastenden Quellen wie Zitaten aus Vorlesungen oder Literaturverweisen zu melden. Dazu gehörten neben Juden, Angehörigen kommunistischer Organisationen oder des Reichsbanners nach der Interpretation der DSt-Führung auch Personen, die „nationale Führer, die Bewegung der nationalen Erhebung oder das Frontsoldatentum beschimpft haben“ sowie Professoren, deren „wissenschaftliche Methode ihrer liberalen bzw. insbesondere ihrer pazifistischen Einstellung“ entsprach. Auch Hochschullehrer mit „politisch einwandfreier Haltung“ sollten der DSt-Führung gemeldet werden, sofern sie „eine mehr als nur mittelmäßige Begabung“ aufwiesen. Fast alle Universitäten beteiligten sich an dieser Aktion und Lehrkörper, Dekane und Rektoren unterstützten sie. Es kam zu organisierten Übergriffen gegen jüdische Dozenten, Mitarbeiter der Verwaltung und Mitstudenten, Vorlesungen wurden gestört und boykottiert, jüdische Professoren am Betreten ihrer Arbeitsstätte gehindert.
Die öffentliche Hetzjagd ging soweit, dass an den Universitäten Königsberg, Rostock, Erlangen, Münster und Dresden zwei Meter hohe „Schandpfähle“ errichtet wurden, an denen die Namen angefeindeter Professoren und einzelne literarische Schriften angeschlagen wurden:
„Wir werden an allen Hochschulen einen Schandpfahl errichten. Einen klobigen Baumstamm, etwas über mannshoch, auf Hochschulgebiet. An den Schandpfahl werden wir die Erzeugnisse derer nageln, die nicht unseres Geistes sind. Und wir werden diesen Schandpfahl für alle Zeiten stehen lassen. Solange wir ihn brauchen. Heute für die Schriftsteller, morgen für die Professoren. Im Ganzen immer bereit für die, die es nicht begreifen wollen oder nie begreifen können. Der Schandpfahl soll etwa am 3. Mai in den Hochschulen zur Aufstellung gelangen.“
Die Studentenschaft der Universität Rostock berichtete, dass am 5. Mai eine große Feier „mit Errichtung des Schandpfahls“ stattgefunden habe, an den „8 der übelsten literarischen Werke mit haltbaren Vierzöllern geschlagen wurden: Magnus Hirschfeld, Tucholsky, Stephan Zweig, Lion Feuchtwanger, Wikki [sic!] Baum, Remarque, Emil Ludwig und ,die Weltbühne‘".
Büchersammlung
Die zweite Phase des „Aufklärungsfeldzuges“ begann am 26. April 1933 mit der Sammlung des „zersetzenden Schrifttums“. Jeder Student hatte zuerst einmal seine eigene Bücherei und auch die seiner Bekannten von „schädlichen“ Büchern zu säubern, danach wurden die Universitäts- und Institutsbibliotheken durchforstet. Auch öffentliche Bibliotheken und Buchhandlungen wurden nach „verbrennungswürdiger“ Literatur durchsucht. Die Stadt- und Volksbüchereien waren dazu angehalten, ihre Bestände selbst zu „säubern“ und die Bücher freiwillig zu übergeben. Unterstützung erhielten die Studenten von ihren Professoren und Rektoren, die nicht nur später bei den Verbrennungsfeiern erschienen, sondern auch in den Kampfausschüssen zur Aussonderung des zum Verbrennen bestimmten Materials mitarbeiteten. Grundlage für die Auswahl der Bücher bildeten die „Schwarzen Listen“ des 29-jährigen Bibliothekars Wolfgang Herrmann (siehe: Liste der verbrannten Bücher 1933).
Auch Buchhandel und Bibliotheken unterstützten tatkräftig die studentische Aktion. Das Fachorgan des „Verbandes Deutscher Volksbibliothekare“ und das „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“ verbreiteten die Verbotslisten und kommentierten sie, die Bibliothekare wiesen in ihren Erläuterungen etwa darauf hin, dass die zu vernichtende Literatur vorwiegend jüdischer Provenienz sei. Die durch die Beschlagnahmen materiell Geschädigten wehrten sich nicht, die Leihbüchereien wurden sogar aufgefordert, eine Erklärung zu unterschreiben:
„Hiermit versichere ich, dass ich die in der mir zugeschickten, Schwarzen Liste' veröffentlichten Bücher aus meiner Leihbücherei entfernen und nicht mehr ausleihen werde. Mir ist bekannt, dass ein weiteres Ausleihen dieser Bücher gerichtliche Strafen nach sich zieht.“
Am 6. Mai begann mit einer landesweiten Plünderung von Leihbibliotheken und Buchhandlungen die Schlussphase der „Aktion wider den undeutschen Geist“. Die indizierten Bücher wurden von studentischen Stoßtrupps zusammengetragen und abtransportiert. In Berlin erstürmten Studenten der Hochschule für Leibesübungen und der Tierärztlichen Hochschule das Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld im Stadtteil Tiergarten (”In den Zelten“) und plünderten die über zehntausend Bände umfassende Bibliothek. Hirschfeld selbst sah die Zerstörung seines Lebenswerks in einem Pariser Kino in einer Wochenschau.
Der Plakat- und Sammelaktion sollte als dritter Schritt die eigentliche „Hinrichtung des Ungeistes“ folgen, wie es das „Hauptamt für Aufklärung und Werbung“ der deutschen Studentenschaft bereits zu Beginn der Aktion angekündigt hatte: „An allen Hochschulen wird am 10. Mai 1933 das zersetzende Schrifttum den Flammen überantwortet.“ Die Studenten sahen in der Bücherverbrennung einen symbolischen Akt: so wie man in der Vorzeit dem Feuer eine reinigende, Krankheit austreibende Wirkung zusprach, so sollte zum Ausdruck kommen, „daß in Deutschland die Nation sich innerlich und äußerlich gereinigt hat“ (Joseph Goebbels in seiner Rede am Berliner Opernplatz am 10. Mai 1933).
Dazu wurden am 9. Mai in einem Rundschreiben an die Einzelstudentenschaften so genannte „Feuersprüche“ versendet, die eine einheitliche symbolische Grundlage für die Bücherverbrennungen am nächsten Tag bilden sollten. Diese Serie vorgegebener Parolen sollten landesweit ertönen, wenn Vertreter der Studentenschaft die Werke exemplarischer „Schund- und Schmutz“-Literaten ins Feuer warfen. Damit wurde die symbolische Handlung der Bücherverbrennungen betont und ihnen der Charakter eines Rituals verliehen. Unterzeichnet war das Rundschreiben von Gerhard Krüger (DSt) und dem Hauptamtsleiter Hans Karl Leistritz:
„Als Grundlage für die symbolische Handlung im Verbrennungsakt ist die im folgenden gegebene Aufstellung zu benutzen und möglichst wörtlich der Rede des studentischen Vertreters zugrunde zu legen. Da es praktisch in den meisten Fällen nicht möglich sein wird, die gesamten Bücher zu verbrennen, dürfte eine Beschränkung auf das Hineinwerfen der in der folgenden Aufstellung angegebenen Schriften zweckmässig sein. Es wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass trotzdem ein grosser Haufen Bücher verbrannt wird. Die örtlichen Veranstalter haben dabei jegliche Freiheit.“
1. Rufer: Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky.
2. Rufer: Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner.
3. Rufer: Gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, für Hingabe an Volk und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Friedrich Wilhelm Foerster.
4. Rufer: Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Sigmund Freud. 5. Rufer: Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Emil Ludwig und Werner Hegemann. 6. Rufer: Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Theodor Wolff und Georg Bernhard. 7. Rufer: Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque. 8. Rufer: Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr.
9. Rufer: Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist!
Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky! Quelle: „Neuköllner Tageblatt“, Freitag, den 12. Mai 1933, Nr. 111
In der Rundfunkübertragung vom Berliner Opernplatz sind kleine Abweichungen zu diesen Texten zu hören, so verwendeten die Rufer außer im letzten Feuerspruch statt „Flamme“ das Wort „Feuer“. Karl Marx ist mit seinem Vornamen genannt, Sigmund Freud wird als „seelenzersetzend“ und mit den „Schriften der Schule Sigmund Freuds“ verbrannt und Emil Ludwig wird unter großem Jubel „Emil Ludwig Kohn“ genannt.
Die Bücherverbrennungen
Der 10. Mai 1933 war als Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist“ geplant. Alles sollte generalstabsmäßig durchgeführt werden, ein präziser Ablaufplan wurde an die örtlichen Studentenschaften durchgegeben: Zwischen 20:30 und 22 Uhr sollte eine Kundgebung der Studentenschaft im Auditorium der jeweiligen Universität die Aktion eröffnen und nach Einbruch der Dunkelheit hatte ein Fackelzug die Bücher zum Verbrennungort zu führen, wo die Veranstaltung zwischen 23 und 24 Uhr mit dem eigentlichen „Verbrennungsakt“ endigen sollte. Die Studentenschaften wurden angehalten, diesen Ablaufplan genauestens einzuhalten und die Aktion möglichst aufwendig zu gestalten, da zwischen 23 und 24 Uhr eine Radio-Staffelreportage der Deutschen Welle geplant war. Auch die wörtliche Verlesung der Feuersprüche war verbindlich. In allen Städten waren bereits tagsüber die Scheiterhaufen aufgeschichtet worden, vor denen die Teilnehmer ein öffentlicher Vortrag erwartete, der meist von Professoren der jeweiligen Universität gehalten wurde. In Berlin sprach zusätzlich Propagandaminister Joseph Goebbels, der dem Ereignis damit eine offizielle Note verlieh.
10. Mai 1933 in Berlin
Die beschlagnahmten Bücher werden auf einem Wagen gesammelt und zur Verbrennung auf den Opernplatz in Berlin gefahren, Aufnahme aus dem Bundesarchiv Nach der Antrittsvorlesung Alfred Baeumlers, der als Professor für Philosophie und politische Pädagogik in die Reichshauptstadt berufen worden war, formierte sich der Fackelzug auf dem Hegelplatz hinter der Universität und zog dann entlang der Museumsinsel zum Studentenhaus in der Oranienburger Straße, wo Lastwagen warteten, auf denen etwa 25.000 Bücher verladen waren. Fritz Hippler, der Brandenburgische Führer des NSDStB und spätere Produzent des antisemitischen Propagandafilms „Der ewige Jude“, hielt eine Hetzrede, bis sich um 22 Uhr der Zug bei strömendem Regen zu den Klängen einer SA-Blaskapelle Richtung Königsplatz vor dem Reichstag in Bewegung setzte. Auf einem Stock aufgespießt wurde der Kopf einer zerschlagenen Büste von Magnus Hirschfeld mitgeführt. Von Tausenden Schaulustigen gesäumt, gelangte der Zug der NS-Studenten, Korporationsstudenten im „Wichs“, dem Ornat ihrer Verbindung, Professoren in Talaren, Verbände der SA und SS und der Hitler-Jugend, eskortiert von berittener Polizei, durchs Brandenburger Tor über den Linden-Boulevard zum Opernplatz (heute: Bebelplatz) neben der Staatsoper. SA- und SS-Kapellen spielten vaterländische Weisen und Marschlieder, der ganze Opernplatz war mit Scheinwerfern der Wochenschau erhellt.
Da der Scheiterhaufen wegen des strömenden Regens nicht entzündet werden konnte, half die Feuerwehr mit Benzinkanistern nach. Nach der Rede des Studentenführers Herbert Gutjahr, die mit den Worten: „Wir haben unser Handeln gegen den undeutschen Geist gewendet. Ich übergebe alles Undeutsche dem Feuer!“ endete, warfen neun ausgewählte Vertreter der Studentenschaft zu den markanten „Feuersprüchen“ die ersten Bücher in die Flammen. Anschließend wurden unter großem Gejohle der Studenten und des Publikums die übrigen Bücher bündelweise von den Lastwägen gehoben und von einer Menschenkette weitergereicht, an deren Ende die Bücher des „undeutschen Geistes“ von z. B. Karl Marx, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Sigmund Freud und vielen anderen – insgesamt 94 Autoren – ins Feuer geworfen wurden. Viele der verfemten Autoren (soweit sie noch lebten) waren zu diesem Zeitpunkt bereits im Ausland; Erich Kästner stand wohl als einziger unter den Gaffern und musste mit anhören, wie auch sein Name aufgerufen wurde.[8][9]
Etwa 70.000 Menschen nahmen an dieser Aktion teil. Gegen Mitternacht erschien Propagandaminister Joseph Goebbels, ein promovierter Germanist, und hielt seine Rede, an deren Ende von den Büchern nur mehr ein rauchender Aschenhaufen übrig geblieben war. Mit dem Absingen des Horst-Wessel-Liedes endete das Fanal.
Zeitgleich mit Berlin fanden am 10. Mai 1933 Bücherverbrennungen auch in einundzwanzig weiteren Hochschulstädten statt: Bonn, Braunschweig, Bremen, Breslau, Dortmund, Dresden, Frankfurt am Main, Göttingen, Greifswald, Hannover, Hannoversch Münden, Kiel, Königsberg, Landau, Marburg, München, Münster, Nürnberg, Rostock, Worms und Würzburg.
Da es am 10. Mai teilweise zu schweren Regenfällen kam, musste in einigen Städten die Aktion verschoben werden; bis zum 19. Mai fanden acht weitere Bücherverbrennungen statt: Am 12. Mai in Erlangen und Halle (Saale), am 15. Mai in Hamburg, am 17. Mai in Heidelberg und Köln, am 19. Mai in Mannheim und Kassel (mit 30.000 Beteiligten).
Die für den 10. Mai in Freiburg geplante öffentliche Verbrennung[11] wurde zunächst aus ungeklärten Gründen abgesagt, jedoch ein Ersatztermin für eine kleinere, „symbolische“ Verbrennung mit Jugendverbänden und Schülern im Universitätsstadion zunächst für den 21. Juni benannt; nachdem auch dieser wegen schlechter Witterung kurzfristig abgesagt werden musste, dann für die örtliche NS-Sonnwendfeier am 24. Juni gemeinsam mit der Freiburger Studentenschaft. Dabei hielt der Philosoph Martin Heidegger, damals gerade neuer Rektor der Freiburger Universität, eine Ansprache:
„... Flamme künde uns, leuchte uns, zeige uns den Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt! Flammen zündet, Herzen brennt!“[12]
Die letzte studentische Bücherverbrennung erfolgte am 21. Juni in Darmstadt, während die erste bereits am 8. Mai in Gießen stattgefunden hatte. Für die Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie für Singen [13] untersagte der Kommissar für die württembergischen Studentenschaften, Gerhard Schumann, die Teilnahme an der Aktion und hielt an seinem Verbot trotz der Proteste, die von einzelnen Studentenschaften in Berlin vorgebracht wurden, fest. Die Danziger Studentenschaft teilte mit, dass wegen der politischen Lage der Stadt, die unter der Verwaltung des Völkerbundes stand, eine öffentliche Durchführung der Aktion nicht möglich sei.
In München kam es zu zwei Bücherverbrennungen, eine durch die Hitler-Jugend am 6. Mai 1933, da die Führung der HJ ihre Gliederungen beauftragt hatte, „in sämtlichen Orten (…) eine Verbrennung aller marxistischer, pazifistischer Schriften und Bücher“ durchzuführen, und eine durch die deutsche Studentenschaft am 10. Mai 1933, bei der 50.000 Schaulustige auf dem Königsplatz teilnahmen. Sämtliche bayerischen Rundfunksender berichteten darüber.
Die Bücherverbrennungen selbst wurden von der Deutschen Studentenschaft (dem Dachverband der Allgemeinen Studentenausschüsse – AStA), und dem NSDStB durchgeführt und geschahen mit Duldung der Behörden, wurden von Polizei und Feuerwehr sogar begleitet und betreut. Zahlreiche Professoren nahmen an den Bücherverbrennungen teil und traten in Talaren vor die Scheiterhaufen, um Feuerreden zu halten, etwa der Philosoph Alfred Baeumler in Berlin, der Germanist Hans Naumann in Bonn und die Germanisten Friedrich Neumann und Gerhard Fricke in Göttingen. In Dresden hielt Will Vesper die Festrede. In Greifswald war die Bücherverbrennung in die mehrwöchige "Aktion für den deutschen Geist" der dortigen NSDStB-Gruppe eingebunden. Unter der fachlichen Leitung von Wolfgang Stammler und Hans Wilhelm Hagen stellten Greifswalder Promotionsstudenten im Rahmen dieser Aktion in den pommerschen Zeitungen "deutsche" Literatur der zu verbrennenden "undeutschen" Literatur gegenüber.
In Frankfurt waren etwa 15.000 Leute auf dem Römer versammelt, viele von ihnen Studenten in SA-Uniform, aber auch Lehrer und Professoren in Talaren und Baretten auf den Köpfen. Die Bücher wurden auf einem Ochsenkarren zum Scheiterhaufen geführt, eine Mistgabel steckte in der Mitte, um ihn als Mistwagen kenntlich zu machen. Die dortige Feuerrede hielt der Studentenpfarrer Otto Fricke. An einigen Orten verbrannten die Studenten außer Büchern auch Fahnen, so wurde in Hamburg die Gaufahne des Roten Frontkämpferverbandes in die Flammen geworfen, in Mannheim und Königsberg die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 gab es am 30. April 1938 auch eine studentische Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz in Salzburg, veranstaltet von dem NS-Lehrerbund unter der Patronanz von Karl Springenschmid, dem „Goebbels von Salzburg“. Dieser Verbrennung fielen 1 200 Bücher klerikaler und jüdischer Autoren zum Opfer, darunter auch die Werke des Wahlsalzburgers Stefan Zweig [15] und die Max Reinhardt-Monographie von Siegfried Jacobsohn, bei deren Verbrennung gerufen wurde: "Möge das Feuer auch Schimpf und Schand verzehren, die unserer deutschen Stadt von diesem Geschmeiß geschah. Frei und deutsch sei die Stadt Mozarts!"
Nicht-studentische Aktionen[Bearbeiten] Nicht-studentische Bücherverbrennungen hatte es bereits im Zuge des NS-Terrors nach der Reichstagswahl im März 1933 in mehreren Städten durch SA und SS gegeben, so in Dresden (8. März), Braunschweig (9. März), Würzburg (10. März), Heidelberg (12. März), Kaiserslautern (26. März), Münster (31. März), Wuppertal (1. April), Leipzig (1. April und 2. Mai), Düsseldorf (11. April) und Coburg (7. Mai), wo vielfach die Zentren der verbliebenen Opposition wie Partei-, Gewerkschafts- und sozialdemokratische Verlagshäuser gestürmt und geplündert, aber auch schon Werke einzelner Autoren wie „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque verbrannt wurden. Bei der Erstürmung des sozialdemokratischen Volksfreundhauses in Braunschweig gab es bereits einen Toten. Von diesen Bücherverbrennungen ging ein entscheidender Impuls für die nachfolgende studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ aus.
Weitere „nachahmende“, d. h. nicht-studentische Bücherverbrennungen gab es nach dem 10. Mai 1933 u. a. am 13. Mai in Neustrelitz, am 14. Mai in Neustadt an der Weinstraße, am 22. Mai in Offenbach am Main und in Potsdam, am 30. Mai wieder in Hamburg (durchgeführt von Hitler-Jugend und BDM), am 31. Mai in Neubrandenburg, am 17. Juni in Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg und Pforzheim, am 21. Juni in Essen, Darmstadt und Weimar und am 23. Juni in Mainz. Die letzte Aktion dieser Art fand am 26. August in Jena statt. In Magdeburg wurden vom 21. bis 24. August 65 Tonnen Bibeln und andere Druckschriften der Zeugen Jehovas verbrannt, jedoch ohne Zusammenhang zu den studentischen Aktionen. Eine genaue Anzahl lässt sich wegen der zahlreichen kleineren Nachahme-Aktionen nicht geben, doch sind für das Jahr 1933 landesweit über siebzig Bücherverbrennungen dokumentiert.
Im März 1938 organisierte die NSDAP, Landesgruppe Mexiko, in Mexiko-Stadt ein „Fest für den vollzogenen Anschluss“ Österreichs, dem auch eine kleine Bücherverbrennung folgte. Im gleichen Jahr wurden in vielen Städten und Dörfern, z. B. in den fränkischen Ortschaften Hagenbach, Karlstadt und Steinach Bücher jüdischer Gemeinden verbrannt. 1941 wurden noch im Elsass im Rahmen einer „Entwelschungsaktion“ mehrere Bücherverbrennungen durchgeführt. |
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